Joya am Vänern

Sistimus: Am Ende der Welt.

Die Tage ziehen ins Land. Eben noch sind wir gerade angekommen. Dann ist bereits die erste Woche vorüber. Die nächsten Wochen, die wir noch hier sind, wirken gleichzeitig lange und scheinen doch schon fast vorbei zu sein. Zeitgefühl ist was komisches.

Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.

Freiluftsleben.

Ein durch und durch nordisches Konzept, dass mir dieser Tage oft begegnet und mich beschäftigt. Über Ursprung und Bedeutung wird hier debattiert und philosophiert. Sogar das „Wer hat es erfunden?“ scheint ein Streitgrund zu sein.

Ich halte das für mich ganz nahe an der Erklärung, die das schwedische Naturvårdsverket dafür liefert:

Friluftsliv

Friluftsliv

Friluftsliv är vistelse utomhus i natur- och kulturlandskap för välbefinnande och naturupplevelse utan krav på tävling.

Und das beschreibt unsere Tage hier eigentlich ganz gut. Wir gehen jeden Tag mehrere Male mit Joya spazieren oder wandern. Dabei spielen Distanzen und Zeiten überhaupt keine Rolle. Das Erlebnis, der Ort, die Aussicht, das Sein im Hier und Jetzt, die Natur ist der Inhalt. So irgendwie ein bisschen wie: Der Weg ist das Ziel.

Selbstverständlich findest Du die Beschreibungen dieser Wanderungen wieder unter dem „Touren“-Reiter oder auf der vorangehenden „Schweden 2020“ Seite.

Die Gedanken sind frei.

Anstatt hier auf die Wanderungen in Detail einzugehen, möchte ich ein paar Gedanken sammeln und ausführen, die zwar mit dem Wanderungen zusammen hängen, nicht aber der Beschreibung eben jener dienen soll.

Wasser ist Leben.

Der Väner

Die Region Dalsland hat unendliche Wälder und ist sehr hügelig. Auch wenn besagte Hügel oft nur wenige Meter Erhebung darstellen, geht es hier stetig ein wenig auf und ab. Und über die nordischen Wälder schwärme ich ja oft. Aber eines, das triumphiert klar und deutlich noch über die Wälder: Das viele Wasser hier. Die Seenpracht ist unfassbar. Irgendwas um die 2500 Seen soll es hier geben. Einige davon nur wenige Meter, andere ziehen sich über Kilometer hin. Und unter all den Seen ist der Vänern klar der König. Auch diesmal sind wir bereits zwei Mal an den Vänern gefahren. Und jedes Mal öffnet sich etwas in mir. Die Weite bedeutet Freiheit. Und die fühle ich zwar in den Wäldern auch, aber unbegrenzt dann doch erst am Vänern.

Es gibt kein schlechtes Wetter.

Schlechtes Wetter am Iväg

So geht ein bekannter Spruch. Aber ich kann mich nicht wirklich entscheiden, ob das dann so wirklich stimmt. Schliesslich diktiert das Wetter hier im etwas wilderen Schweden durchaus den Tagesablauf mehr als Zuhause. So sind anspruchsvollere „Berg“-Wanderung wie etwa der Sörknatten bei nassem Wetter nicht sehr empfehlenswert. Oder so müssen wir uns an warmen Tagen immer überlegen, ob wir extra Wasser für unsere Joya dabei haben müssen oder ob wir sowieso viel am Wasser sein werden (oder gar genau deswegen heute auf Berg- und Wald verzichten und gezielt ans Wasser gehen).

Ok, aber das sind ja alles überwindbare Kleinigkeiten. Dann lasst es mich mal so formulieren: Nur wechselhaftes Wetter ist schlechtes Wanderwetter.

Sistimus hic tandem nobis ubi defuit orbis.

Sistimus auf Baldersnäs

Wer den Beitrag zur Wanderung auf Baldersnäs gelesen hat, der weiss bereits, was das bedeutet und wo das steht. Der Spruch bedeutet in etwa:

"Hier stehen wir schliesslich, wo die Welt endet."

Nun gut, Die Wälder hier sind unendlich. Ebenso die vielen, langen, grossen Seen. wenigstens wirken die oft genauso unendlich. Und dennoch: So richtig nach Ende fühlt es sich hier nirgends an. Denn auch auf Baldersnäs, wo dieser Spruch auf einer Steinsäule eingeritzt steht, sieht man doch das andere Ufer. Und nicht mal besonders weit weg.

Und doch ist „Das Ende der Welt“ ein Gefühl, das ich hier oft habe. Aber nicht etwa mit einem düsteren Endzeit-Gedanke. Oder mit dem Ende als Synonym für Tod oder ähnliches.

Hier fühlt sich das „Ende der Welt“ befreiend an. So wie: „Die grosse Freiheit“. Das Leben nach dem post-industrialisierten Kapitalismus, die Natur jenseits der Leistungsgesellschaft. Frontier-Gefühle. Das grosse Unbekannte in der Wildnis. Und das, obwohl der nächste Imbiss oder die nächste Tanke auch hier höchstens 10-20 km weg ist (wenn überhaupt).

Freiheit durch Wildnis

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